Die wirtschaftliche Entwicklung im Inland: Gestiegene Energiepreise belasten die Erholung
Torsten Schmidt,
György Barabas,
Niklas Benner,
Maximilian Dirks,
Niklas Isaak,
Robin Jessen,
Philip Schacht and
Anne Steuernagel
RWI Konjunkturberichte, 2022, vol. 73, issue 1, 39-78
Abstract:
Die Aussichten für die wirtschaftliche Erholung in Deutschland haben sich durch den Krieg in der Ukraine und die daraufhin verhängten Sanktionen gegen Russland deutlich verschlechtert. Bereits zum Ende des vergangenen Jahres kam es durch die steigende Zahl der Neuinfektionen und die damit verbundenen Infektionsschutzmaßnahmen sowie durch anhaltende Lieferengpässe zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung. Damit rückt die deutsche Wirtschaft an den Rand einer Rezession. Vor allem die seit Dezember kräftig gestiegenen Öl- und Gaspreise belasten Unternehmen und Haushalte in hohem Maße. Da es derzeit vor allem beim Gas nur in begrenztem Umfang Alternativen zu den Lieferungen aus Russland gibt, ist zu erwarten, dass die Preise noch längere Zeit hoch bleiben. Von den steigenden Energiekosten sind alle Verbraucher und Unternehmen betroffen, insbesondere aber energieintensive Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Gestützt wird der private Konsum dagegen durch die bereits im Februar vorgenommenen Lockerungen bei den Infektionsschutzmaßnahmen. Alles in allem dürfte die wirtschaftliche Expansion in diesem Jahr deutlich geringer ausfallen als noch in unserer Dezemberprognose unterstellt wurde. Der Hauptgrund dafür sind die stark gestiegenen Preise für Öl und Gas. Dennoch ist zu erwarten, dass die Aufhebung der meisten Infektionsschutzmaßnahmen und die nachlassen-den Lieferengpässe im Sommerhalbjahr zu einer recht deutlichen Ausweitung der Produktion führen werden. Im Jahresdurchschnitt erwarten wir für dieses Jahr eine Ausweitung des BIP um 2,5%. Im kommenden Jahr dürfte die Expansion 3,6% betragen. Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich weiter robust. Zuletzt war besonders bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ein starker Zuwachs zu verzeichnen. Diese Tendenz dürfte sich fortsetzen. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten dürfte wieder steigen, wobei die Anhebung des Mindestlohns diese Beschäftigungsform unattraktiver macht, aber zugleich die Anhebung der Minijobgrenze die geringfügige Beschäftigung begünstigt. Die Arbeitslosenquote dürfte im Jahresdurchschnitt 2022 noch bei 5,0% und im Jahr 2023 bei 4,9% liegen. Seit Beginn dieses Jahres sind die Preise für Erdgas und Rohöl kräftig gestiegen. Der Druck auf die Verbraucherpreise dürfte daher noch einige Monate anhalten. Die Inflationsrate wird wohl auch nach Abflauen des Rohstoffpreisschocks noch einige Zeit höher bleiben als im Durchschnitt der Jahre zuvor. Allerdings erwarten wir keine deutlichen Steigerungen bei den Tariflöhnen in der kurzen Frist, sodass es voraus-sichtlich nicht zu einer ausgeprägten Lohn-Preis-Spirale kommen wird. Insgesamt dürfte die Teuerungsrate in diesem Jahr 5,2% betragen und im kommenden Jahr auf 2,3% zurückgehen. Wir erwarten, dass das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte in diesem Jahr mit knapp 89 Mrd. Euro deutlich geringer ausfallen wird als im Vorjahr (132 Mrd. Euro). Trotz einer Reihe einnahmemindernder Maßnahmen dürften die Staatseinnahmen im Zuge der weiteren wirtschaftlichen Erholung deutlich zulegen und das Finanzierungsdefizit im Jahr 2023 weiter auf gut 70 Mrd. Euro zurückgehen.
Date: 2022
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