Frühjahr 2025: Deutsche Wirtschaft weiter im Leerlauf
Torsten Schmidt,
Boris Blagov,
Eliana Coschignano,
Maximilian Dirks,
Daniela Grozea-Helmenstein,
Niklas Isaak,
Florian Kirsch,
Clara Krause,
Stefan Kotz,
Philip Schacht-Picozzi and
Klaus Weyerstrass
RWI Konjunkturberichte, 2025, vol. 76, No A01, 40 pages
Abstract:
Wie sehr die aktuellen Probleme der deutschen Wirtschaft strukturell bedingt sind, zeigt sich an der Hartnäckigkeit ihrer Wachstumsschwäche: Die Wirtschaftsleistung ist zum Jahresende weiter zurückgegangen. Insbesondere die deutschen Exporte sind kräftig gesunken, allen voran die Lieferungen nach China. Die deutschen Exporteure verlieren nunmehr das vierte Jahr in Folge gegenüber China an Boden. Die schwache Auslandsnachfrage trägt zu weiter rückläufigen Ausrüstungsinvestitionen bei. Aber auch aus dem Inland bleiben die Impulse aus: Die geringe Kapazitätsauslastung in vielen Wirtschaftszweigen und die bedenklich hohe Un- sicherheit über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland führen dazu, dass Unternehmen Investitionen zurückstellen. Lediglich der private Konsum wurde zum Jahresende leicht ausgeweitet. In den ersten Monaten dieses Jahres dürfte die Unsicherheit nochmals gestiegen sein. Zunächst hat das Vorziehen der Bundestagswahlen auf Februar 2025 dazu geführt, dass Entschei- dungen bis dahin aufgeschoben wurden. Darüber hinaus haben Rhetorik und Entscheidungen der seit Januar im Amt befindlichen US-Administration die internationale Unsicherheit drastisch verschärft, und in ihrer Folge sind die realen geopolitischen Risiken erheblich gestiegen. Diese sind vor allem auch dadurch größer geworden, dass die Bereitschaft der US-Administration zur Verteidigung Europas gesunken ist. Dadurch hat sich die Sicherheitslage in Europa nochmals deutlich verschlechtert. Bei alledem bleiben die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft bestehen. So stehen wichtige Weichenstellungen bei der Energie- und Klimapolitik, die geeignet wären, für ein Einschwenken auf eine effiziente Energiewende zu sorgen, derzeit noch aus. Ob sich die zukünftigen Regierungsparteien auf spürbare Schritte im Bereich Digitalisierung und Bürokratieabbau verständigen können, ist derzeit ebenfalls noch nicht absehbar. Die bereits gefestigten Pläne der künftigen Koalitionspartner, die Schuldenbremse dahingehend zu reformieren, dass - abgesehen von einem Sockel von einem Prozent der Wirtschaftsleistung - Investitionen in die Verteidigung bei der Berechnung der relevanten Verschuldung nicht berücksichtigt werden, sowie die Schaffung eines neuen Sondervermögens für die Erneuerung der Infrastruktur dürften allerdings spürbare Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben. Da für die Änderung der Schul- denbremse eine 2/3 Mehrheit im Bundestag benötigt wird, ist die Umsetzung noch ungewiss. Aus diesem Grund unterstellen wir in dieser Prognose zwar eine weitere Aufstockung der Verteidigungs- und Investitionsausgaben, gehen aber von einem deutlich geringeren Gesamtvolu- men als den derzeit diskutieren 900 Mrd Euro aus. Zudem dürften nun viele Maßnahmen in anderen Politikbereichen erst später angegangen werden. Wichtige Rahmensetzungen in der Energie- und Klimapolitik dürften sich beispielsweise dadurch verzögern. Vor diesem Hintergrund erwarten wir erst nach einer Stagnation im ersten Halbjahr wieder leicht positive Zuwachsraten für das BIP. Für den Jahresdurchschnitt ergibt sich ein Rückgang von 0,1%. Im kommenden Jahr dürfte sich die Belebung etwas verstärken. Dabei wird angenom- men, dass sich die gesamtwirtschaftliche Unsicherheit nach und nach verringert. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die neue Bundesregierung ein Konzept zur Stärkung des Wirtschaftswachstums vorlegt, das auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen umfasst. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Zoll-Konflikt mit den USA im Laufe dieses Jahres beigelegt werden kann. In diesem Fall dürfte der private Konsum stärker ausgeweitet werden und die Spar- quote etwas sinken. Angesichts weiter sinkender Zinsen dürften auch die Investitionen allmählich wieder ausgeweitet werden. Im Jahresdurchschnitt des Jahre 2026 dürfte das BIP um 1,2% steigen. Die Arbeitsmarktindikatoren deuten darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit noch etwas zunehmen wird. Mit der für die zweite Jahreshälfte 2025 erwarteten wirtschaftlichen Erholung dürfte die Arbeitslosigkeit bis zum Ende des Prognosezeitraums moderat zurückgehen. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich in diesem Jahr auf 6,2% steigen und im kommenden Jahr auf 6,1% sinken. Insgesamt wird auch die Zahl der Erwerbstätigen im Prognosezeitraum weiter leicht sin- ken - um etwa 45 000 Personen in diesem Jahr und um weitere 15 000 Personen im kommenden Jahr. Die Inflationsrate ist seit ihrem Tiefstand von 1,6% im September des vergangenen Jahres kon- tinuierlich gestiegen und erreichte im Dezember einen Stand von 2,6%. Seit Beginn dieses Jahres zeichnet sich eine Trendumkehr ab. Besonders deutlich wird der Rückgang bei der Betrachtung der Kernrate der Inflation (Gesamtindex ohne Energie und Nahrungsmittel). Diese wird von 3,3 % im Dezember auf voraussichtlich 2,6% im Februar sinken. Insgesamt wird sowohl im laufenden Jahr als auch für 2026 mit einer Inflation von 2% gerechnet. Ausweislich der Maßnahmenmethode ist die Finanzpolitik im laufenden Jahr restriktiv ausgerichtet. Es gibt zwar einige expansive Impulse wie etwa Änderungen bei der Einkommensteuer und das Steuerfortentwicklungsgesetz, jedoch wirkt das Ende von Maßnahmen wie der abga- benfreien Inflationsausgleichsprämie zusätzlich zu den erhöhten Einnahmen durch höhere Bei- tragssätze zur Sozialversicherung spürbar restriktiv. Im Jahr 2026 dürften die finanzpolitischen Maßnahmen in etwa neutral ausgerichtet sein. Für das kommende Jahr kann der anstehende Regierungswechsel die Ausrichtung der Finanzpolitik allerdings noch deutlich verändern.
Date: 2025
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