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Die Schuldenbremse - eine falsche Fiskalregel am falschen Platz

Michael Hüther and Jens Südekum
Authors registered in the RePEc Author Service: Jens Suedekum

No 103, DICE Ordnungspolitische Perspektiven from Heinrich Heine University Düsseldorf, Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)

Abstract: [Einleitung] Am 2. August 2019 notierte die dreißigjährige Bundesanleihe an den Finanzmärkten erstmalig zu einem Zinssatz von null. Damit lag die gesamte deutsche Zinsstrukturkurve im negativen Bereich. Kurz zuvor wurde am 4. Juli 2019 die zehnjährige Bundesanleihe zu einem nominalen Zinssatz von -0,4 Prozent gehandelt, identisch zur Einlagefazilität der EZB. Mit anderen Worten: die Märkte bieten dem deutschen Staat eine Prämie, damit sie ihm Geld anvertrauen dürfen. Leiht sich der Bund heute einen Euro, muss er in dreißig Jahren bei einer Inflationsrate entsprechend des 2-Prozent-Zielwerts bloß einen realen Gegenwert von knapp 56 Cent refinanzieren. Der Bund ist damit einer der kreditwürdigsten Schuldner weltweit. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verbietet es ihm aber weitestgehend, von diesem privilegierten Status Gebrauch zu machen. Die Verankerung in Artikel 115 GG erfolgte im Zuge der Föderalismus-Kommission im Jahr 2009. Seit dem Jahr 2011 entfaltet diese Regelung sukzessive ihre bindende Wirkung für den Bund und die Länder. Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise war die Schuldenstandquote innerhalb kurzer Frist von 63 Prozent im Jahr 2007 auf den historischen Höchstwert 82,5 Prozent im Jahr 2010 angestiegen. Die Sorge um die finanzpolitische Handlungsfähigkeit dominierte seinerzeit die öffentliche Diskussion. Vorbild war die Schweiz, die im Jahr 2001 per Volksabstimmung eine Ausgabenregel eingeführt hatte. Allerdings wird dort - anders als in Deutschland - nicht direkt die öffentliche Kreditaufnahme reguliert, sondern die Entwicklung der zulässigen Ausgaben an die der konjunkturbereinigten Einnahmen gebunden. Die deutsche Schuldenbremse billigt hingegen dem Bund in konjunkturell normalen Zeiten eine strukturelle Verschuldung von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu, aktuell rund 12 Milliarden Euro jährlich. Die Länder dürfen gar keine strukturellen Budgetdefizite mehr ausweisen. Diese Regelung würde bei Ausnutzung der Spielräume und angenommenen 3 Prozent Trendwachstum des nominalen Bruttoinlandsprodukts langfristig zu einer Schuldenstandquote von nur noch knapp 12 Prozent führen. Die Fortführung der noch weiter gehenden Politik der "schwarzen Null", die grundsätzlich auf Budgetdefizite verzichtet, würde irgendwann sogar eine komplette Entschuldung implizieren. Dieser weitestgehende Verzicht auf öffentliche Verschuldung ist unter theoretischen Gesichtspunkten prinzipiell zweifelhaft, er wird angesichts der aktuellen Zinskonstellationen und der großen strukturellen Investitionsbedarfe, die es in Deutschland in vielen Bereichen gibt, jedoch äußerst fragwürdig.

Date: 2019
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