Wandel der Governance der Arbeit an Hochschulen: Neuere Entwicklungstrends und ihre Folgen. Abschlussbericht
René Böhme
No 37, Reihe Arbeit und Wirtschaft in Bremen from Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), Universität Bremen und Arbeitnehmerkammer Bremen
Abstract:
Die Governance der Arbeit im deutschen Hochschulsystem hat sich unter der Maßgabe der Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch verschiedene Neuregulierungen in den vergangenen Jahren zum Teil erheblich verändert. Mithilfe von Expert:inneninterviews mit Personalstellen, Fachbereichen bzw. Instituten sowie Personalräten und Gewerkschaften an 30 ausgewählten Hochschulen in 16 Bundesländern wurden in der hier vorgelegten Studie qualitative Befunde zur Anwendung der Neuregelungen und den dadurch eintretenden intendierten und nicht intendierten Effekten gewonnen. Die empirischen Ergebnisse machen erstens deutlich, dass eine Fokussierung der Debatte um "Gute Arbeit in der Wissenschaft" auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz deutlich zu kurz greift, da flankierende Neuregulierungen auf zahlreichen Ebenen (Bund, Länder, Hochschulen, Rechtsprechung) zu finden sind. Zudem ist insbesondere die Bedeutung der Länderebene im Diskurs eher unterrepräsentiert. Zweitens zeigen sich erhebliche Diskrepanzen in der Rechtsanwendung zwischen den Hochschulen. In zahlreichen Kategorien konnten dabei komplett gegensätzliche Rechtsauffassungen und darauf basierende Rechtsanwendungen identifiziert werden. Die derzeitigen rechtlichen Rahmensetzungen scheinen also keine rechtssicheren Befristungen zu ermöglichen. Drittens deuten sich in den Expert:inneninterviews in Bezug auf die intendierten Wirkungen insgesamt sehr ernüchternde Befunde an. Lediglich in Bezug auf die Befristungsdauer werden stärkere positive Effekte wahrgenommen. Auffällig ist zudem, dass von den Interviewten für die positiven Trends zumeist lokale Kodizes, landesbezogene Neuregulierungen oder der Zukunftsvertrag verantwortlich gemacht wurden. Der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) werden dagegen kaum positive Effekte attestiert. Dafür sehen viertens viele Befragte zahlreiche nicht intendierte, eher negative Wirkungen vor allem im Zusammenhang mit dem WissZeitVG und der Rechtsprechung, welche oftmals aus Wechselwirkungen der Regulierung von Qualifizierungs- und Drittmittelbefristung resultieren. Dazu zählen insbesondere starke Einschränkungen in der Drittmittelforschung, feststellbare Ungleichheitsdynamiken auf der Ebene von Hochschulen, Fachbereichen, Professuren und Beschäftigten, punktuelle Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für einzelne Mitarbeiter:innen, Hemmnisse für die Hochschulentwicklung sowie eine erhebliche Zunahme von Bürokratie. In der Summe der intendierten und nicht intendierten Effekte zeigt sich eine Dualisierung auf verschiedenen Ebenen. Den Abschluss der Expert:inneninterviews bildete fünftens die Diskussion von Handlungsempfehlungen. Dabei wurde deutlich, dass die Befragten zwar zahlreiche potenzielle Ansätze für Reformen nennen, diese sich jedoch teilweise deutlich widersprechen. Vor dem Hintergrund der Gesamtergebnisse erscheint die strukturelle Aufstellung des Wissenschaftssystems in Deutschland in Verbindung mit der dahinterliegenden Finanzierungssystematik grundlegend ungeeignet, Kriterien der guten Arbeit in Verbindung mit der notwendigen Flexibilität in der Forschung gleichzeitig gewährleisten zu können. Unter Maßgabe dieser These wären somit grundlegende strukturelle Reformen notwendig, um die Zielstellungen zu erreichen. Die zukünftige Rolle der Drittmittelforschung an den Hochschulen und deren Regulierung wären in diesem Zusammenhang aber zu klären.
Date: 2022
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