Braucht Europa eine neue Industriepolitik?
Georg Bletschacher and
Henning Klodt
No 177, Kiel Discussion Papers from Kiel Institute for the World Economy (IfW Kiel)
Abstract:
Bei der Diskussion um die Neugestaltung der Römischen Verträge wird zunehmend gefordert, die Rolle der Industriepolitik in der EG neu zu definieren. Insbesondere in die Märkte für Hochtechnologie müsse gezielt mit Subventionen und handelsbeschränkenden Maßnahmen eingegriffen werden. Zur Begründung wird immer wieder auf neuere Entwicklungen in der Außenhandels- und der Wachstumstheorie verwiesen, die vielfältige Möglichkeiten für wohlfahrtsfördernde staatliche Interventionen aufgezeigt hätten. Im Unterschied zur traditionellen Außenhandelstheorie, die grundsätzlich von der Annahme vollkommener Konkurrenz auf allen Märkten ausging, werden in der Theorie der strategischen Handelspolitik die Handelsströme in oligopolistischen Märkten analysiert, d.h. es wird berücksichtigt, daß es in vielen Bereichen große, marktbeherrschende Unternehmen gibt. Mit der neuen Wachstumstheorie läßt sich beispielsweise erklären, weshalb ein Land wie Japan fortgeschrittene Industrieländer nicht nur einholen, sondern sogar überholen kann - ein Phänomen, das mit der herkömmlichen Wachstumstheorie nur schwer in Einklang zu bringen war. Keine dieser beiden Theorien bietet jedoch die Grundlage für einen neuen Protektionismus. Das Informationsproblem, das sich dem Staat bei der Konzipierung einer optimalen strategischen Industriepolitik stellt, ist so gravierend, daß es in der Praxis kaum zu lösen sein dürfte. Die bisher in Europa gemachten Erfahrungen mit der strategischen Industriepolitik sind wenig ermutigend. Im Flugzeugbau ist zwar mit dem Airbus-Programm ein eigenständiger europäischer Anbieter im Markt etabliert worden, aber um den Preis außerordentlich hoher Subventionen. In der Mikroelektronik ist es trotz massiver Forschungsförderung und trotz hoher Handelsschranken nicht gelungen, den Wettbewerbsnachteil gegenüber der japanischen und der amerikanischen Konkurrenz aufzuholen. Im Automobilbau schließlich sind die protektionistischen Schutzwälle durch den Bau japanischer Automobilfabriken in der EG derart porös geworden, daß der Versuch einer Abschirmung europäischer Produzenten weitgehend aufgegeben werden mußte. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sinnvoll, die Organe der EG mit einer eigenständigen industriepolitischen Kompetenz auszustatten. Je stärker sich der Staat in eine interventionistische Politik verstrickt, desto stärker wird die Funktion des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs ausgehöhlt. Auch im Lichte der neuen Handels- und Wachstumstheorien gilt, daß Freihandel in der Praxis der beste Weg zu mehr Wachstum und Wohlstand sein dürfte.
Date: 1991
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