Konfliktbereitschaft nimmt zu: Tarifpolitischer Bericht 1. Halbjahr 2021
Hagen Lesch and
Luis Winter
No 32/2021, IW-Reports from Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute
Abstract:
Während die Tarifverhandlungen im Jahr 2020 unter dem Einfluss der Corona-Pandemie überaus harmonisch geführt wurden, zeichnet sich im laufenden Jahr eine Trendwende ab. Die Konfliktbereitschaft hat im ersten Halbjahr 2021 spürbar zugenommen. Dies zeigt eine Analyse von 14 zentralen Tarifverhandlungen im Rahmen des IW-Konfliktmonitorings. In diesem Monitoring werden die Tarifverhandlungen in 20 Branchen aus allen Bereichen der Volkswirtschaft regelmäßig ausgewertet und ermittelt, wie konfliktreich sie verlaufen. Die Konfliktintensität - sie summiert die in Tarifverhandlungen erreichten Eskalationsstufen wie Streikdrohungen, Warnstreiks, juristische Auseinandersetzungen oder Urabstimmungen - stieg im Durchschnitt auf 8,4 Punkte je Tarifkonflikt. Das liegt nahe am langjährigen Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2020 (9,0 Punkte). Im letzten Jahr summierten sich die Eskalationsstufen im Durchschnitt auf lediglich 2,3 Punkte pro Verhandlung, während es 2019 (dem letzten Jahr vor der Pandemie) 10,3 Punkte waren. Nach dem Maßhalten 2020, in dessen Rahmen es den Gewerkschaften vor allem um Beschäftigungssicherung ging, ist im zweiten Jahr der Corona-Pandemie wieder die Lohnentwicklung in den Mittelpunkt der Tarifverhandlungen gerückt. Das zeigt sich an den Lohnforderungen der Gewerkschaften. Sie lagen zwischen 4,0 und 5,3 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Da die Arbeitgeberverbände vor dem Hintergrund einer in vielen Unternehmen schwierigen oder unsicheren Wirtschaftslage verhandelten, wurde es schwieriger, Kompromisse zu finden. Bei den Lohnabschlüssen zeigten sich die Gewerkschaften dann aber doch eher zurückhaltend. Wie schon 2020 verzichteten IG Metall und andere Arbeitnehmerbünde auch für das laufende Jahr oftmals auf prozentuale Entgeltsteigerungen. Stattdessen gab es steuerfreie Corona-Prämien oder neue Sonderzahlungen, die erst 2022 ausgezahlt werden. Ausnahmen bilden die Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie sowie die Süßwarenindustrie. In diesen beiden Branchen werden die Tabellenwerte schon im Laufe des Jahres 2021 um 1,5 und 2,5 Prozent angehoben. Im Zuge einer weiteren wirtschaftlichen Stabilisierung und der anziehenden Teuerungsrate ist allgemein wieder eine expansivere Lohnpolitik zu erwarten. Die bereits begonnenen, aber im Juni 2021 noch nicht abgeschlossenen Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn, im Einzelhandel oder im Bankgewerbe verlaufen schon zäh oder bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Das trifft angesichts der angespannten Haushaltslage auch für die im zweiten Halbjahr startenden Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst der Länder zu. Damit dürfte sich der im ers-ten Halbjahr beobachtbare Trend einer zunehmenden Konfliktbereitschaft auch im zweiten Halbjahr 2021 fortsetzen.
JEL-codes: J50 J51 J52 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2021
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