Droht die Lohn-Preis-Spirale? Tarifpolitischer Bericht 1. Halbjahr 2022
Hagen Lesch
No 38/2022, IW-Reports from Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute
Abstract:
Die Inflationsdynamik hat sich bislang noch nicht auf die gesamtwirtschaftliche Tariflohndynamik übertragen. Es gab zwar einzelne Abschlüsse, die überdurchschnittlich hoch ausfielen - etwa der Abschluss in der Eisenund Stahlindustrie, der neben einem einmaligen "Energiebonus" von 500 Euro eine Anhebung der Löhne und Gehälter um 6,5 Prozent bei einer Laufzeit von 18 Monaten vorsah. Zudem wirft die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns ihren Schatten voraus. Um eine Verdrängung von Tariflöhnen zu verhindern, pochten die Gewerkschaften in Branchen wie der Gastronomie oder der Gebäudereinigung auf deutliche Lohnsteigerungen. Einer expansiveren Lohnpolitik im ersten Halbjahr 2022 standen aber moderate Stufenanpassungen aus der Tarifrunde des letzten Jahres gegenüber. Dadurch blieb die am Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes gemessene Tariflohndynamik moderat. Sie blieb auch deutlich hinter der Inflationsdynamik zurück. Vor allem im privaten und im öffentlichen Bankgewerbe verliefen die jüngsten Tarifrunden recht konfliktreich. Zählt man die im Laufe der jeweils mehr als neun Monate andauernden Verhandlungen ergriffenen Eskalationsstufen wie Verhandlungsabbrüche, Streikdrohungen oder Warnstreiks zusammen, ergibt sich eine Konfliktintensität von 29 Punkten im öffentlichen und von 28 Punkten im privaten Bankgewerbe. Auf den Plätzen drei und vier folgen die Eisen- und Stahlindustrie mit 16 und der Sozial- und Erziehungsdienst des Öffentlichen Dienstes mit 15 Punkten. Konfliktfrei ging es in den vorgezogenen Tarifverhandlungen für das Gebäudereiniger-Handwerk zu und in den Verhandlungen über einen als "Zwischenergebnis" bezeichneten Kurzläufer mit einer Laufzeit von sieben Monaten in der Chemischen Industrie. Im Durchschnitt aller verhandelnden Branchen lässt sich nicht feststellen, dass die Inflation die Tarifverhandlungen belastete. Die Konfliktintensität lag im Durchschnitt der 15 analysierten Tarifkonflikte bei 5,7 Punkten. Das sind nur halb so viele Punkte wie im Vorjahr (11,5 Punkte). Im zweiten Halbjahr 2022 stehen unter anderem Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektro-Industrie, in der Chemischen und pharmazeutischen Industrie und im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen an. Da allein in diesen drei Tarifbereichen für mehr als sieben Millionen Arbeitnehmer neue Tarifverträge verhandelt werden, kommt den zuständigen Tarifpartnern eine große Verantwortung zu. Sie stellen die Weiche in Richtung Lohn-Preis-Spirale oder Preisstabilität. Aus stabilitätspolitischer Sicht sollten sich die Tariflohnsteigerungen nicht an der aktuellen Inflationsrate orientieren, sondern an der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank. Andernfalls droht sich die Inflation auch von der Lohnseite her zu verfestigen.
JEL-codes: J50 J51 J52 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2022
New Economics Papers: this item is included in nep-ger
References: View references in EconPapers View complete reference list from CitEc
Citations:
Downloads: (external link)
https://www.econstor.eu/bitstream/10419/261479/1/1809465443.pdf (application/pdf)
Related works:
This item may be available elsewhere in EconPapers: Search for items with the same title.
Export reference: BibTeX
RIS (EndNote, ProCite, RefMan)
HTML/Text
Persistent link: https://EconPapers.repec.org/RePEc:zbw:iwkrep:382022
Access Statistics for this paper
More papers in IW-Reports from Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute Contact information at EDIRC.
Bibliographic data for series maintained by ZBW - Leibniz Information Centre for Economics ().