Digitalisierung sozialer Dienstleistungen in ländlichen Regionen: Eine Analyse feldkonfigurierender Diskurse
Eric Janacek and
Anne Margarian
No 157, Thünen Working Papers from Johann Heinrich von Thünen Institute, Federal Research Institute for Rural Areas, Forestry and Fisheries
Abstract:
Das Ziel der vorliegenden Studie besteht in der Rekonstruktion und Analyse von Digitalisierungsdiskursen, die auf 2018 und 2019 besuchten Tagungen zu sozialen Dienstleistungen, Ehrenamt und ländlicher Entwicklung beobachtet wurden. Auf Tagungen geben Akteurinnen und Akteure ihrem Tätigkeitsfeld eine gemeinsame Bedeutung, indem sie Standpunkte vertreten, Erwartungen formulieren und Narrative erzeugen oder bekräftigen. Durch die Analyse der Beobachtungsprotokolle, der dokumentierten Vorträge und des Tagungsmaterials wurden die übergeordneten Diskurse "Organisation sozialer Dienstleistungen" und "Entwicklung ländlicher Räume" mit ihren jeweiligen Teildiskursen "Professionelle Erbringung sozialer Dienstleistungen", "Organisation und Arbeit in zivilgesellschaftlichen Organisationen", "soziale Dienstleistungen in ländlichen Räumen", "Daseinsvorsorge und Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen", "Bürgerbeteiligung" und "wirtschaftliche Entwicklung" identifiziert, in denen das Thema "Digitalisierung" jeweils bestimmte Funktionen einnimmt. Der Begriff "Digitalisierung" bleibt in den Diskursen für viele Zuschreibungen und Interpretationen offen. Verschiedene Akteurinnen und Akteure können so unter dem Vorzeichen von Digitalisierung ihre eigenen Ziele und Aktivitäten diskutieren. Insgesamt sind die beobachteten Diskurse von technikoptimistischen Hoffnungen und digitaltechnischen Machbarkeitsvisionen geprägt. Die Einbettung von Technologien in die jeweiligen institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen hingegen wurde zum Beispiel da deutlich, wo darauf hingewiesen wurde, dass für eine erfolgreiche Umsetzung digitalgestützter Reformen von Arbeitsprozessen und Organisationsstrukturen die Interessen und Bedürfnisse von Akteurinnen und Akteuren vor Ort berücksichtigt werden müssen. Mit Blick auf die Telemedizin und -pflege wurden der rechtliche Rahmen, begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten und fehlende Akzeptanz als außer-technische Grenzen digitalgestützter Veränderungen diskutiert. Durch die in den identifizierten Diskursen weit verbreitete Konzeptualisierung von Digitalisierung als neutralem, außergesellschaftlichem technischen Wandel bleibt die Interessengebundenheit und die politische Dimension der Entwicklung, Implementierung und Nutzung von (digitaler) Technik unberücksichtigt. Vor allem am Diskurs zur Entwicklung ländlicher Räume wird deutlich, wie die unterschiedlichen Stakeholder mit dem Fortschrittsnarrativ der Digitalisierung auch anderen Forderungen Nachdruck verleihen. So wird etwa von politischen Akteurinnen und Akteuren das vermeintlich Zukunftweisende des Ansinnens der Mobilisierung unbezahlter Arbeit zur Überwindung von Schwächen der sozialen Daseinsvorsorge im ländlichen Raum durch den Verweis auf die Digitalisierung unterstrichen. Indem der Diskurs sich auf die technologische Lösung konzentriert wird aber auch der Lösungsansatz der vermehrten Nutzung unbezahlter Arbeit kaum noch reflektiert oder mit alternativen Lösungsmöglichkeiten kontrastiert. Auf diese Weise lassen sich Projekte mit technischen Problemstellungen legitimieren, ohne dass das dahinterstehende Ziel weiter hinterfragt wird.
Keywords: Technischer Wandel; Narrative; ländliche Entwicklung; soziale Dienstleistungen; bürgerschaftliches Engagement; unbezahlte Arbeit; Ehrenamt; Digitalisierung; Feldkonfiguration; technical change; narratives; technical determinism; rural development; social services; voluntary work; unpaid labour; digitization; field configuration (search for similar items in EconPapers)
JEL-codes: H40 I38 L31 M15 O33 R58 Z13 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2020
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DOI: 10.3220/WP1602153234000
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