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Erreichbarkeit durch ambulante Pflegedienste und Erreichbarkeit von Tagespflegeeinrichtungen in Deutschland

Stefan Neumeier

No 203, Thünen Working Papers from Johann Heinrich von Thünen Institute, Federal Research Institute for Rural Areas, Forestry and Fisheries

Abstract: Die wohnortnahe Verfügbarkeit ambulanter Pflegedienste und von Tagespflegeeinrichtungen in Deutschland, die Pflegeleistungen gemäß des Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anbieten, ist ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen und zugleich Voraussetzung dafür, den Grundsatz 'ambulant vor stationär' im Bereich der sozialen Pflegeversicherung umsetzen zu können. Daher wird im Folgenden die Erreichbarkeit mit einem Pkw durch den nächsten ambulanten Pflegedienst und die Erreichbarkeit der wohnortnächsten Tagespflegeeinrichtung flächendeckend für die Bundesrepublik Deutschland analysiert. Grundlage hierfür ist das Thünen-Erreichbarkeitsmodell. Als Ergebnisse lassen sich festhalten: * Insgesamt ist das Standortnetz ambulanter Pflegedienste in Deutschland mit ca. 15.637 Standorten (Stand März 2021) recht dicht. Das Standortnetz der Tagespflegeeinrichtungen ist mit ca. 5.877 Standorten (Stand Juni 2022) deutlich dünner als das der ambulanten Pflegedienste. * Zwischen 2003 und 2021 hat bundesweit die Anzahl ambulanter Pflegedienste von 10.619 (2003) auf ca. 15.637 (2021) stetig zugenommen. Dies entspricht einer Zunahme von ca. 47 % gegenüber 2003. Anhand der vorliegenden Daten lässt sich dieser Trend auch auf die Bundesländer übertragen (Ausnahme: Bremen). * Gemäß des Standortdatensatzes 'Pflegedienste' der Datensammlung POI-Bund ('Points of Interest'-Bund) (Stand März 2021) werden im Mittel pro ambulantem Pflegedienst 87 (Median) bzw. 114 (arithmetisches Mittel) Patient*innen betreut. * Im Median ist der nächste ambulante Pflegedienst in Deutschland ca. 8 Minuten Fahrzeit und die nächste Tagespflegeeinrichtung ca. 9 Minuten Fahrzeit entfernt. * Die mittleren Pkw-Erreichbarkeiten sind sowohl für die ambulanten Pflegedienste als auch die Tagespflegeeinrichtungen in den nicht ländlichen Regionen (ambulante Pflegedienste 5 Minuten; Tagespflegeeinrichtungen 6 Minuten) geringfügig kürzer als in den ländlichen Regionen (ambulante Pflegedienste 8 Minuten; Tagespflegeeinrichtungen 10 Minuten). Zwischen den unterschiedlichen Typen ländlicher Räume (sehr ländlich / eher ländlich; gute sozioökonomische Lage / weniger gute sozioökonomische Lage) sind die Erreichbarkeitsunterschiede bei beiden untersuchten Infrastrukturen relativ gering. * Deutschlandweit und in den einzelnen Bundesländern können in allen Regionstypen über 85 % der Bevölkerung innerhalb einer Pkw-Fahrzeit von 10 Minuten von einem ambulanten Pflegedienst erreicht werden. Innerhalb von 25 Minuten Pkw-Fahrzeit können deutschlandweit und auch in den einzelnen Ländern nahezu 100 % der Bevölkerung von einem ambulanten Pflegedienst erreicht werden. Ähnlich sieht es bei den Tagespflegeeinrichtungen aus, die deutschlandweit ca. 88 % der Bürger*innen innerhalb von 10 Minuten erreichen können. Allerdings liegt die Spannbreite im Vergleich der Länder zwischen ca. 75 % in Bayern und 100 % in Bremen. Innerhalb von 20 Minuten Fahrzeit können gemäß des Erreichbarkeitsmodells über 97 % der Bürger*innen eine Tagespflegeeinrichtung erreichen, innerhalb von 25 Minuten beträgt der Anteil in allen Regionstypen annähernd 100 %.* Vor allem in Bayern lassen sich Regionen mit vergleichsweise ungünstigen Erreichbarkeiten von Tagespflegeeinrichtungen identifizieren. Obwohl die verfügbaren Daten darauf hinweisen, dass Bayern zusammen mit Baden-Württemberg bei den Standortadressen der Tagespflegeeinrichtungen größere Fehlstellen aufweist, ist zu vermuten, dass sich die dort registrierten ungünstigen Erreichbarkeiten nicht alleine durch ggf. fehlende Standortdaten erklären lassen. Somit ist davon auszugehen, dass v. a. in Bayern in den Kreisen Garmisch-Partenkirchen, Freyung-Grafenau, Neuburg-Schrobenhausen, Regen und Schwandorf Tagespflegeeinrichtungen für die Bürger*innen z. T. vergleichsweise schlecht erreichbar sind. * Die Anzahl der innerhalb der Reisezeitfenster 'bis 5 Minuten', 'bis 10 Minuten', 'bis 15 Minuten', 'bis 20 Minuten' und 'bis 25 Minuten' erreichbaren Standorte ambulanter Pflegedienste unterscheidet sich deutlich zwischen ländlichen und nicht ländlichen Regionen. Während in ländlichen Regionen im Mittel innerhalb von bis zu 5 Minuten Fahrzeit nur 0,7 ambulante Pflegedienste erreicht werden können, sind es in nicht ländlichen Regionen drei. Innerhalb einer Reisezeit von bis zu 15 Minuten können in ländlichen Räumen im Mittel ca. acht ambulante Pflegedienste erreicht werden, in nicht ländlichen Räumen sind es im Mittel ca. 48 ambulante Pflegedienste. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Anzahl der innerhalb dieser Reisezeitfenster erreichbaren Tagespflegeeinrichtungen. Während in ländlichen Regionen im Mittel innerhalb von bis zu 5 Minuten Fahrzeit nur ca. 0,3 Tagespflegeeinrichtungen erreicht werden können, sind es in nicht ländlichen Regionen 0,7. Innerhalb einer Reisezeit von bis zu 15 Minuten können in ländlichen Räumen im Mittel ca. vier Tagespflegeeinrichtungen erreicht werden, in nicht ländlichen Räumen sind es im Mittel ca. elf Tagespflegeeinrichtungen. * Der Vergleich von Standortdaten ambulanter Pflegedienste von 2014 und 2021 zeigt, dass in Deutschland als Reaktion auf die gewachsene Nachfrage nach Pflegeleistungen die Anzahl ambulanter Pflegedienststandorte um ca. 2.171 zugenommen hat. Das entspricht einer Zunahme von 16 % zur Basis 2014. Interessanterweise führte diese Zunahme an Standorten nicht zu einer signifikanten Verbesserung der wohnortnahen Erreichbarkeitssituation durch ambulante Pflegedienste. * Die Ergebnisse lassen vermuten, dass in ländlichen Räumen etwaige Versorgungsengpässe in der ambulanten Pflege weniger auf eine schlechte wohnortnahe Erreichbarkeit durch ambulante Pflegedienste zurückzuführen sein dürften, sondern eher auf begrenzte Betreuungskapazitäten aufseiten der Pflegedienste. Auch bei den Tagespflegeeinrichtungen deuten die Ergebnisse der Erreichbarkeitsmodellierung eher auf begrenzte Betreuungskapazitäten als auf Erreichbarkeitsprobleme als Ursache für Versorgungsengpässe hin. Allerdings zeigen die Modellergebnisse auch, dass sich v. a. in Bayern und Baden-Württemberg sowie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vermehrt Gemeinden identifizieren lassen, bei denen die mittleren Pkw-Fahrzeiten zwischen 15 und 25 Minuten und vereinzelt sogar darüber liegen, während in der Mehrzahl der Gemeinden die mittleren Pkw-Fahrzeiten zur nächsten Tagespflegeeinrichtung unter 15 Minuten betragen.

Keywords: Verkehrliche Erreichbarkeit; ambulante Pflege; Tagespflege; transportation accessibility; outpatient care; adult day care (search for similar items in EconPapers)
JEL-codes: C19 I11 I14 R12 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2022
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DOI: 10.3220/WP1669025391000

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