Fünf Jahre Mindestlohn - Erfahrungen und Perspektiven: Gemeinsame Stellungnahme von IMK und WSI anlässlich der schriftlichen Anhörung der Mindestlohnkommission 2020
Alexander Herzog-Stein,
Malte Lübker,
Toralf Pusch,
Thorsten Schulten,
Andrew Watt and
Rudolf Zwiener
Authors registered in the RePEc Author Service: Malte Luebker
No 42, WSI Policy Briefs from The Institute of Economic and Social Research (WSI), Hans Böckler Foundation
Abstract:
Das Ziel des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns besteht darin, "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen" (Bundesregierung 2014, S. S1). Seine Einführung zum 1. Januar 2015 war deshalb notwendig, weil die in Deutschland lange Zeit dominierende Form der Bestimmung von Mindestlöhnen durch Tarifverträge in wachsenden Bereichen der Wirtschaft nicht mehr funktioniert hat, sodass viele Beschäftigte ohne jegliche Mindestlohnsicherung auskommen mussten. Die Kehrseite der seit Mitte der 1990er Jahre anhaltenden Erosion der Tarifbindung war deshalb die Herausbildung eines der größten Niedriglohnsektoren in Europa. Heute bildet der gesetzliche Mindestlohn ein komplementäres Element der Lohnsetzung in Deutschland, das den traditionellen Modus der Lohnfindung durch Tarifverhandlungen ergänzt. Fünf Jahre nach seiner Einführung fällt die Bilanz des gesetzlichen Mindestlohns nach wie vor eher gemischt aus. Auf der einen Seite hat der Mindestlohn tatsächlich dazu geführt, dass die Löhne von Millionen Beschäftigten angehoben worden sind und damit ihre Einkommenssituation merklich verbessert wurde. Durch die dadurch gesteigerte Nachfrage des privaten Konsums hat der Mindestlohn auch zu einer insgesamt dynamischeren Wirtschaftsentwicklung beigetragen, auch wenn seine makroökonomischen Auswirkungen eher begrenzt blieben, weil er nur einen kleinen Teil der gesamtwirtschaftlichen Lohnsumme berührt (Herr et al. 2018). Befürchtungen hinsichtlich möglicher negativer Konsequenzen des Mindestlohns für die Beschäftigung haben sich hingegen nicht bestätigt. Seit Einführung des Mindestlohns hat das Beschäftigungsniveau in Deutschland vielmehr permanent zugenommen und die Arbeitslosigkeit ist kontinuierlich zurückgegangen. Erst durch den externen Schock der Corona-Pandemie wurde diese Entwicklung abrupt abgebrochen. Dass die Bilanz des Mindestlohns trotzdem eher gemischt ausfällt, liegt vor allem daran, dass er bis heute sein grundlegendes Versprechen eines existenzsichernden Lohnniveaus für alle Beschäftigten nicht hat einlösen können (s. a. Herzog-Stein et al. 2018). Hinzu kommt, dass es nach wie vor viele Unternehmen gibt, die ihren Beschäftigten selbst den geringen Mindestlohnbetrag vorenthalten. Vor diesem Hintergrund wird seit einiger Zeit zu Recht die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des deutschen Mindestlohnregimes diskutiert, die eine deutliche Anhebung des Mindestlohns auf das Niveau eines existenzsichernden "Living Wage" und eine verbesserte Umsetzung und Kontrolle vor Ort umfasst. Im Mittelpunkt der Debatte steht dabei die Forderung nach einem Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde (Schulten/Pusch 2019). Dieser würde in etwa 60 % des Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten entsprechen und damit dem Wert, der derzeit innerhalb der Europäischen Union als Benchmark für eine europäische Mindestlohnpolitik diskutiert wird (Müller/Schulten 2020).
Date: 2020
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