Warum fallen manche Adressatengruppen durch das Wahrnehmungsraster von Politik und Verwaltung? Hürden und Fehlanreize für die Berücksichtigung von Schutzbedarfen im politisch-administrativen Prozess
Sandra Reuse
No P 2018-003, Discussion Papers, Presidential Department from WZB Berlin Social Science Center
Abstract:
Das Papier widmet sich der Frage, warum ein Reformhandeln in manchen sozialstaatlichen Handlungs-bereichen schwer fällt und Pfadabhängigkeiten nicht überwunden werden. Als wichtige Ursache wird die unzureichende Berücksichtigung spezifischer Adressatengruppen durch Politik und Ministerialverwaltung diskutiert. Dies dürfte zum einen an der mangelnden Sichtbarkeit von Personengruppen liegen, die zwar ähnliche Belange und Schutzbedarfe haben, es jedoch aufgrund vielfältiger Anforderungen nicht schaffen, eine politisch wirksame Interessenvertretung auszubilden. Ein Beispiel für eine solche Gruppe sind die neuen Erwerbsformen, worunter Solo-Selbstständige, atypisch oder wechselhaft Beschäftigte verstanden werden. Doch die mangelnde politische Sichtbarkeit dieser und anderer Personengruppen könnte - und sollte, zumindest zugunsten der besonders Schutzbedürftigen unter ihnen - ausgeglichen werden. Dies wäre jedenfalls der normative Anspruch an den Sozialstaat, zumal sozialwissenschaftliche Analyse, Wirkungsforschung und Evidenzbasierung in der Regierungsarbeit immer stärker betont werden. Ein zweiter Erklärungsansatz befasst sich daher mit Hürden und Fehlanreizen beim Zustandekommen sozialstaatlicher Reformen. Da ein großer Teil der Gesetzentwürfe in der Regierungsverwaltung erarbeitet wird, rückt die Rolle der Ministerialbürokratie beim Agendasetting in den Blick. Es wird die These diskutiert, dass Adressatengruppen oder Probleme tendenziell gerade dann "übersehen" werden, wenn integrierte, ressortübergreifende Lösungen für sie nötig wären. Wie gezeigt werden kann, bestehen schon für eine zuständigkeitsübergreifende Problemanalyse, also dem ersten Schritt im Agendasetting, Fehlanreize und Hürden. Sie resultieren auch aus den Regelungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) zur Federführung und Abstimmung von Maßnahmen. Diese verstärken Silothinking und negative Koordination, wie sie aus politikwissenschaftlicher Sicht für die Regierungsverwaltung schon seit den 70er Jahren kritisiert werden. Eine adressatenorientierte Analyse, die neu entstandene oder wichtiger werdende Schutzbedarfe in den Mittelpunkt rückt, könnte Abhilfe schaffen. Angesichts immer schneller werdender, teilweise disruptiver Veränderungen im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung wird aber auch angeregt, die Regelungen für eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zu modernisieren.
Keywords: Sozialpolitik; Wirkungsforschung; Adressatenorientierung; Schutzbedarfe; neue Erwerbsformen; ressortübergreifende Kooperation (search for similar items in EconPapers)
Date: 2018
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