Vertrauenskrise in Deutschland? Ein europäischer Vergleich und Wege zu neuer Stabilität
Rebecca Gabel and
Jennifer Potthoff
No 9/2025, IW policy papers from Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute
Abstract:
Vertrauen bildet das Fundament stabiler Gesellschaften und ist essenziell für das reibungslose Funktionieren von Demokratien, Wirtschaftssystemen und sozialen Strukturen. Doch in Zeiten multipler Krisen - von wirtschaftlicher Unsicherheit über politische Polarisierung bis hin zu den Auswirkungen der Digitalisierung - ist das Vertrauen in Deutschland unter Druck geraten. Nur 14 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass es der nächsten Generation besser gehen wird als der Gegenwärtigen (Edelman, 2025). Traditionelle Parteien verlieren an Zustimmung, während populistische Bewegungen Zulauf erhalten. Diese Entwicklung wird durch die wachsende Bedeutung sozialer Medien verstärkt. Denn einerseits fördern soziale Medien Transparenz, andererseits untergraben sie durch Filterblasen - in denen Algorithmen den Nutzern hauptsächlich Inhalte zeigen, die ihre bestehenden Ansichten bestätigen - sowie durch die Verbreitung von Desinformation das Vertrauen in etablierte Institutionen. Schwindendes Vertrauen erzeugt nicht nur kurzfristige politische Instabilität, sondern vertieft langfristig gesehen auch soziale Spaltungen und kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Diese Studie analysiert das Ausmaß des Vertrauens in verschiedenen Ländern anhand eines umfassenden Index, der das Vertrauen in politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme misst und auf europäischer Ebene vergleicht. Der IW-Vertrauensindex zeigt, dass Deutschland beim Gesamtindex aus allen drei Dimensionen (Politisches System, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem) im Hinblick auf den Rangplatz im relativen Vergleich zu anderen europäischen Staaten stabil im Mittelfeld liegt (Platz 8 sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2022) - obwohl Deutschland nach Indexpunktwerten Vertrauensverluste verzeichnet. Beim Vertrauen in das Gesellschaftssystem ist Deutschland von Platz 9 in 2015 auf Platz 11 in 2022 leicht abgesunken. Während sich das Vertrauen in das politische System im europäischen Ländervergleich etwas verschlechtert hat (von Platz 6 im Jahr 2015 auf Platz 7 im Jahr 2022), hat sich das Vertrauen in das Wirtschaftssystem hingegen im Laufe der Jahre weder verbessert noch verschlechtert (Platz 7 in 2015 und in 2022). Allerdings droht Deutschland in den folgenden Jahren bis 2024 eine weitere Verschlechterung des Niveaus - eine Entwicklung, die auch in anderen Ländern Europas zu beobachten ist. Da der Vergleich jedoch stetsrelativ zu anderen Ländern erfolgt, wird der Vertrauensrückgang in ganz Europa in diesem Index nicht sichtbar. Länder wie Dänemark, die Niederlande und Finnland schneiden im Vergleich deutlich besser ab, da sie durch politische Stabilität, transparente Institutionen und eine ausgeprägte gesellschaftliche Kohäsion gekennzeichnet sind. Um das Vertrauen in Deutschland zu stärken, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich, darunter eine Stärkung demokratischer Institutionen durch politische Bildung und transparente Entscheidungsprozesse, die Förderung von Medienkompetenz zum bewussten Umgang mit Fake News sowie die Schaffung von Anreizen für Unternehmen, um gesellschaftliche Verantwortung (CSR) ehrlicher und glaubwürdiger zu verankern. Zudem ist es entscheidend, den gesellschaftlichen Dialog zu fördern, um Polarisierung und sozialer Fragmentierung entgegenzuwirken. Vertrauen ist nicht nur eine moralische oder soziale Frage, sondern auch eine strategische Ressource für die Zukunftsfähigkeit eines Landes. Gezieltes politisches und wirtschaftliches Handeln ist daher notwendig, um den aktuellen Vertrauensverlust nicht nur aufzuhalten, sondern langfristig umzukehren.
Keywords: Verhaltensökonomik; Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik; Vertrauen; Behavioral Economics and Business Ethics (search for similar items in EconPapers)
JEL-codes: A13 O43 P51 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2025
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