Zwischen Transformation und Krise: Automobilzulieferindustrie in Deutschland im Umbruch
Martin Krzywdzinski
Discussion Papers, Research Group Globalization, Work, and Production from WZB Berlin Social Science Center
Abstract:
In der im Sommer 2024 durchgeführten Befragung von 182 Betriebsrät:innen in der deutschen Automobilzulieferindustrie berichten 60% von Beschäftigungsabbau in den letzten fünf Jahren. Besorgnis erregend ist der genauso hohe Anteil von Betriebsrät:innen, die erwarten, dass der Beschäftigungsabbau in den kommenden Jahren anhalten wird. Der Beschäftigungsabbau zieht sich durch alle Produktbereiche und betrifft zunehmend nicht nur Arbeiter:innen, sondern - das ist neu - auch Angestellte. • Die Transformation zur Elektromobilität bietet in der gegenwärtigen Krise durchaus eine Chance. Zwar führt diese Transformation für etwa ein Drittel der befragten Betriebe zu einer Abnahme der Nachfrage nach den Produkten. Es ist aber zu betonen, dass die anderen zwei Drittel der Betriebe durch die Transformation zur Elektromobilität keine negativen Folgen oder sogar ein Wachstum der Nachfrage erleben. Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Betrieben, die auf die gegenwärtige technologische Transformation und Krise mit der Entwicklung neuer Produkte und Diversifikation reagieren. Dabei sind interessanterweise jene Betriebe besonders aktiv, die von der Transformation zur Elektromobilität besonders profitieren: Diese Betriebe entwickeln ganz neue Produkte und diversifizieren ihr Produktspektrum in der Automobilindustrie. • Besorgniserregend ist die Abnahme der Vorteile der deutschen Hochlohnstandorte im Hinblick auf Produktivität, Qualität und Beherrschung neuer und komplexer Technologien. Zwar sehen 2024 immer noch mehr als die Hälfte der befragten Betriebsrät:innen darin besondere Stärken der deutschen Standorte, die Bewertung ist aber deutlich skeptischer als 2016. Niedriglohnstandorte und Wettbewerber holen auf, der Vorsprung der deutschen Werke nimmt ab. • Leitwerkfunktionen - d.h. die Übernahme von Vorreiterrollen beim Anlauf neuer Produkte und neuer Prozesstechnologien - bleiben allerdings weiterhin stark in der deutschen Automobilzulieferindustrie verbreitet. Die Übernahme von Leitwerkfunktionen ist mit einer positiveren Beschäftigungsentwicklung der Betriebe verbunden - bzw. in der gegenwärtigen Krise mit einer weniger stark ausgeprägten Beschäftigungsabnahme. • Die Verlagerungsdynamik bleibt in der deutschen Automobilzulieferindustrie seit langem konstant hoch. Etwa zwei Drittel der Betriebe berichten Verlagerungen. Dabei wird zunehmend neben der Produktion auch die Produktentwicklung verlagert. Es gibt zwar auch Rückverlagerungen an deutsche Standorte, allerdings ist ihr Anteil (etwa ein Viertel der Betriebe) deutlich geringer als jener der Verlagerungen. Verlagerungen gehen mit Beschäftigungseinbußen einher. • Insgesamt zeichnen diese Befunde ein ambivalentes Bild. Die Innovationsfähigkeit der deutschen Automobilzulieferindustrie ist weiterhin hoch, zugleich beginnen Personalabbaumaßnahmen und Verlagerungen auch Innovationsfunktionen (z.B. Produktentwicklung) zu erfassen. Der Produktivitäts-, Qualitäts- und Technologievorsprung der deutschen Betriebe schrumpft. Diese ambivalenten Entwicklungen sprechen angesichts der zentralen Bedeutung der Automobilindustrie für die deutsche Wirtschaft für eine industriepolitische Unterstützung der Transformation auf drei Ebenen: Innovationsförderung, Nachfrageförderung sowie Kostenreduktion.
Keywords: Automobilindustrie; Deutschland; Innovation; Beschäftigung; Mitbestimmung (search for similar items in EconPapers)
JEL-codes: J21 J24 J60 L16 L62 O33 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2024
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