Gesellschaftliche Vielfalt – sozialer Sprengstoff oder Treiber für zukünftigen Wohlstand?
Dan Anderberg,
Gordon B. Dahl,
Christina Felfe,
Helmut Rainer,
Thomas Siedler,
Christopher Prömel,
Max Friedrich Steinhardt,
Havva Engin,
Haci-Halil Uslucan,
Thomas Liebig,
Claudia Diehl,
Sabine Trittler,
David Pipke and
Ulrich Schmidt
ifo Schnelldienst, 2025, vol. 78, issue 04, 03-28
Abstract:
Helmut Rainer, ifo Institut, Dan Anderberg, Royal Holloway University London, Gordon B. Dahl, UC San Diego, Christina Felfe, Universität Konstanz, und Thomas Siedler, Universität Potsdam, analysieren mit einem „Labor-im-Feld“-Experiment die Auswirkungen von Diversität in Schulklassen. Nicht jede Form der Diversität führt automatisch zu mehr Integration. Kulturell polarisierte Klassen weisen weniger Kooperationsbereitschaft auf. Eine gemeinsame Identität entwickelt sich in diesen Klassen weniger. Hier ergeben sich konkrete Handlungsansätze für Schulen und Bildungspolitik. Interkulturelle Kompetenzen wären bewusster zu fördern und mit organisatorischen Maßnahmen könnten Gruppenstrukturen innerhalb von Klassen aufgebrochen werden.Eine zentrale Voraussetzung, um das Potenzial kultureller Vielfalt zu nutzen, ist auch aus Sicht von Christopher Prömel und Max Friedrich Steinhardt, FU Berlin, dass es zwischen den einzelnen kulturellen und ethnischen Gruppen zu einem Austausch kommt. Segregierte Gesellschaften seien dazu nicht in der Lage. Eine zentrale Rolle spielen hierbei Schulen: Programme zur Förderung ethnischer Diversität an Schulen könnten dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und die soziale Integration zu stärken.Lange Zeit wurden in Deutschland existierende Bildungsungleichheiten zwischen einheimischen und zugewanderten Schülerinnen und Schülern mit einer kulturalisierenden Sichtweise betrachtet, erklärt Havva Engin, Pädagogische Hochschule Heidelberg. Mittlerweile sei der Konsens, dass es bildungspolitische Entscheidungen und administrative Rahmenbedingungen sind, die sich nachteilig auf die Bildungsbiografie auswirken, die durch den familiären Kontext zusätzlich verstärkt werden. Der Beitrag fokussiert auf die Herausarbeitung hemmender bildungspolitischer bzw. administrativer Strukturen, um daran anknüpfend Handlungsempfehlungen für die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen zu formulieren.Haci-Halil Uslucan, Universität Duisburg-Essen, verweist darauf, dass der bildungswissenschaftliche Diskurs um Migration lange Zeit ein defizitorientierter war. So würden die Potenziale von Zuwanderern noch immer verkannt – sowohl von der Gesellschaft als Ganzes als auch von den Zugewanderten selbst. Mögliche Ansatzpunkte zur Durchbrechung dieser „Potenzialblockaden“ im schulischen Bereich wären aus seiner Sicht mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund, stärkere interkulturelle Kompetenzen in der Ausbildung der Lehrkräfte, transparentere Leistungsrückmeldungen oder auch Begabtenförderungsmaßnahmen auch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte.Thomas Liebig, OECD, stellt aktuelle Ergebnisse zum Stand der Arbeitsmarkt- und Bildungsintegration in Deutschland vor. Deutschland ist das zweitgrößte Aufnahmeland von Eingewanderten im OECD-Raum. Die in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen zur Integration scheinen sich bezahlt zu machen. So sei die Beschäftigungsquote der Eingewanderten vergleichsweise hoch. Doch werden die durchaus positiven Ergebnisse von vielen Menschen nicht wahrgenommen.Claudia Diehl, Universität Konstanz, und Sabine Trittler, Universität Göttingen, stellen Befunde zu den von Mehrheits- und Minderheitsangehörigen wahrgenommenen Voraussetzungen und Barrieren von Zugehörigkeit in Deutschland vor. Aus Sicht der Mehrheitsbevölkerung stellen Sprachkenntnisse, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Straffreiheit deutlich wichtigere Voraussetzungen für die Zugehörigkeit von Einwanderern dar als eine ähnliche Religion oder Herkunft. Dies spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der Zugwanderten wider, die als zentrale Merkmale, an denen sich Ungleichbehandlungen festmachen, vor allem eine fehlende Integration in den Arbeitsmarkt sowie einen starken Akzent nennen.David Pipke und Ulrich Schmidt, IfW Kiel, stellen empirische Befunde aus Vertrauensexperimenten vor, die ein gemischtes Bild liefern: Einerseits gibt es deutliche Vertrauensdefizite der Mehrheitsbevölkerung gegenüber bestimmten Gruppen, andererseits zeigen Minderheiten grundsätzlich Offenheit und bestehende Vorurteile lassen sich durch positive Signale abschwächen. Da stereotype Vorstellungen – etwa von Minderheiten als arbeitslos oder ungebildet – weit verbreitet seien, sollten Politik und Medien gezielt gegen solche Fehlwahrnehmungen vorgehen.
Date: 2025
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