Kann oder soll es Sektoren geben, die dem Markt entzogen werden und gibt es in dieser Frage einen (unüberbrückbaren) Hiatus zwischen 'sozialethischer' und 'ökonomischer' Perspektive?
Nils Goldschmidt
No 06/4, Freiburg Discussion Papers on Constitutional Economics from Walter Eucken Institut e.V.
Abstract:
Mit dem "garstig breiten Graben" beschrieb Gotthold Ephraim Lessing sein Unbehagen über den Hiatus von zufälligen Geschichtswahrheiten und notwendigen Vernunftwahrheiten, den zu schließen er sich außer Stande sah: "Das, das ist der garstig breite Graben, über den ich nicht kommen kann, so oft und ernstlich ich auch den Sprung versucht habe. Kann mir jemand hinüber helfen, der tue es; ich bitte ihn, ich beschwöre ihn. Er verdienet ein Gotteslohn an mir ... ." Diese Scheidelinie zwischen historisch-bedingten und historisch-vermittelten "Wahrheiten" und einer "erstphilosophisch" begründeten objektiven Wahrheit scheint - freilich in profanisierter Form - auch das Verhältnis von Marktwirtschaft und Sozialpolitik bzw. Sozialwirtschaft zu belasten. Ist nicht letztlich die "soziale Not" jedes Einzelnen, in seiner je historischen und kulturellen Ausprägung, ein unüberbrückbarer Widerspruch, ein "garstig breiter Graben", zur inneren Stringenz und Allgemeingültigkeit vernunftgeleiteten, ökonomischen Handelns und der von Ökonomen oft als objektiv erachteten Gesetze des Marktes? Oder allgemeiner formuliert: Wenn es ein "reines", idealtypisches System des Marktes gibt, welcher Weg führt dann von dort zur sozialen Lebenswelt? Andererseits: Warum überhaupt sollten einzelne Bereiche dem Markt entzogen werden, wenn doch nur Märkte effizient im Sinne einer optimalen Ressourcennutzung sind und so dem Nutzen aller und jedes Einzelnen dienen? Die folgenden Überlegungen wollen diesen Fragen eine systematische Antwort geben und dabei versuchen, einige Grundelemente einer Theorie der Sozialpolitik offen zu legen, die den Bedingungen einer modernen Gesellschaft und Marktwirtschaft entsprechen. Hierbei werden aber nicht die einzelnen, konkreten Problemfelder einer modernen Sozialpolitik angesprochen. Vielmehr erscheint mir die Einsicht unausweichlich, dass konkrete Lösungen in den Bereichen Krankheit/Pflege, Arbeitslosigkeit und Ausbildung nur dann gelingen werden, wenn ihnen zunächst eine systematische Gesamtkonzeption gesellschaftlicher Prozesse zugrunde gelegt wird. Für eine solche Gesamtkonzeption und ihren Begründungsstrukturen sollen hier Denkanstöße geliefert werden.
Date: 2006
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