Heraufsetzung und Wegfall der Hinzuverdienstgrenze: Wie hat sich das Renteneintrittsverhalten verändert?
Ruth M. Schüler and
Stefanie Seele
No 25/2025, IW-Reports from Institut der deutschen Wirtschaft (IW) / German Economic Institute
Abstract:
Erreichen gesetzlich Rentenversicherte 35 oder 45 Jahre an anrechenbaren Zeiten, dürfen diese Personen ab einem Alter von 63 Jahren oder maximal zwei Jahre vor ihrer individuellen Regelaltersgrenze vorzeitig, das heißt früher als zu ihrer individuellen Regelaltersgrenze, ihre Altersrente beziehen. Personen mit 35 Jahren anrechenbarer Zeiten sind langjährig versichert und müssen bei vorzeitigem Rentenbezug Abschläge auf ihren bis dahin erreichten Rentenanspruch in Kauf nehmen. Nach einer Versichertenzeit von 45 Jahren wird die vorgezogene Rente besonders langjährig Versicherten abschlagsfrei gewährt. Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird häufig noch "Rente mit 63" genannt, obwohl das Mindestalter für den Bezug einer vorzeitigen, abschlagsfreien Rente schrittweise angehoben wird und mit Vollendung der Anhebung der Regelaltersgrenze im Jahr 2031 65 Jahre betragen wird. Der Gesetzgeber hat die Hinzuverdienstgrenze für langjährig und besonders langjährig Versicherte seit 2020 zweimal befristet erhöht und zum Jahresbeginn 2023 endgültig abgeschafft. Ziel der Reformen ist es, die Erwerbstätigkeit dieser beiden Rentengruppen auszuweiten und damit demografisch bedingte Fachkräfteengpässe zu dämpfen. Vor den Reformen galt eine geringfügige Beschäftigung für (besonders) langjährig Versicherte als finanziell attraktiv, da bei einer Beschäftigung über diesen Umfang hinaus ein sozialversicherungspflichtiger Hinzuverdienst zu 40 Prozent mit der Altersrente verrechnet wurde. Dennoch arbeitete schon in den Jahren 2018 und 2019 ein kleiner Anteil der (besonders) langjährig Versicherten neben der Rente über eine geringfügige Beschäftigung hinaus und nahm die Anrechnung des Hinzuverdiensts auf die Altersrente in Kauf. Im Folgenden wird diese Beschäftigung neben der Rente als großer Hinzuverdienst bezeichnet. In dieser Analyse werden die drei Reformschritte als ein natürliches Experiment verstanden, bei welchem die Betroffenengruppen aus (besonders) langjährig Versicherten mit der Gruppe der Regelaltersrentnerinnen und -rentner verglichen werden. Bei den besonders langjährig versicherten Frauen, welche erstmals eine Altersrente bezogen, stieg der Anteil mit großem Hinzuverdienst von 2019 (vor den Reformen) auf 2023 (nach den Reformen) um 14,1 Prozentpunkte. Der Anstieg bei den Regelaltersrentnerinnen, welche schon vor den Reformen unbegrenzt hinzuverdienen konnten, betrug im gleichen Zeitraum lediglich 2,3 Prozentpunkte. Aus dem Vergleich der von der Reform betroffenen Gruppe der besonders langjährig Versicherten Frauen mit der nicht betroffenen Gruppe der Regelaltersrentnerinnen ergibt sich die sogenannte doppelte Differenz von 11,8 Prozentpunkten. Bei den besonders langjährig versicherten Männern stieg im gleichen Zeitraum der Anteil der Rentner mit großem Hinzuverdienst um 12,1 Prozentpunkte gegenüber der flacheren Entwicklung bei den Regelaltersrentnern. Die langjährig Versicherten zeigen ein ähnliches Muster, welches jedoch weniger dynamisch ist. Der Anstieg konzentriert sich hier vor allem auf das Jahr 2023 nach der vollständigen Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze. (Besonders) langjährig Versicherte nehmen also seit den Reformen häufiger die Möglichkeit wahr, neben der Rente hinzuzuverdienen. Lineare Regressionen zeigen überdies, dass sie im Durchschnitt in einem größeren Umfang hinzuverdienen als vor der Reform. Unklar bleibt, ob diese Hinzuverdienstausweitung einen Mitnahmeeffekt inkludiert, das heißt einen früheren Renteneintritt bei parallelem (ohnehin geplanten) Weiterarbeiten anstößt. Wenn Renteneintritte durch die Möglichkeit des unbegrenzten Hinzuverdiensts vorgezogen würden, würde dies eine erhebliche finanzielle Belastung für die Gesetzliche Rentenversicherung bedeuten. Dies erfordert weitere empirische Untersuchungen, im Besonderen mit Blick auf Verhaltensänderungen beim individuellen Arbeitsangebot.
JEL-codes: H55 J14 J26 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2025
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