Zur Strukturschwäche ländlicher Räume im Kontext der Abgrenzung der GRW-Fördergebiete
Dominik Frankenberg,
Alexander Kopka and
Jan Cornelius Peters
No 124, Thünen Reports from Johann Heinrich von Thünen Institute, Federal Research Institute for Rural Areas, Forestry and Fisheries
Abstract:
Anlässlich der anstehenden Neuabgrenzung der Fördergebiete für die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) untersuchen wir die Strukturschwäche ländlicher Räume. Dies soll politischen Entscheidungsträgern helfen, mögliche Änderungen der Fördergebietsabgrenzung vor dem Hintergrund unterschiedlicher politischer Ziele zu bewerten. Aktuell werden ländliche Räume, gemessen an der Bevölkerungsverteilung, etwas häufiger als strukturschwach eingestuft als - höher verdichtete - urbane Regionen. Mit Ausnahme der Unterbeschäftigungsquote deuten alle derzeit für die Abgrenzung genutzten Indikatoren auf Formen von Strukturschwäche hin, die häufiger ländliche als urbane Regionen betreffen. Neben den bisher verwendeten Indikatoren beziehen wir auch weitere Merkmale mit Bezug zu den Zielen der GRW ein. Strukturschwäche in ländlichen Räumen spiegelt sich u. a. in folgenden Ausprägungen wider: in einem geringen Produktivitäts- und Lohnniveau, einem hohen Anteil von Auspendlern über 50 km, einem stark rückläufigen Arbeitskräfteangebot, Erreichbarkeits- bzw. Versorgungsdefiziten, einer geringeren kommunalen Steuereinnahmekraft, teils hohen Schulabbrecherquoten und einem geringen Anteil an MINT-Beschäftigten. Nominale Löhne sind in ländlichen Regionen bei gleicher regionaler Produktivität zudem im Mittel geringer als in höher verdichteten Regionen und weisen entsprechend stärker auf Strukturschwäche in ländlichen Räumen hin. Die Problemlagen innerhalb der ländlichen Räume variieren zwischen den einzelnen Regionen: Es sind nicht stets die gleichen ländlichen Regionen, die eher ungünstige Ausprägungen der herangezogenen Strukturschwächeindikatoren aufweisen. Die Indikatorauswahl hat also nicht nur Einfluss darauf, welcher Anteil der ländlichen Räume potenziell als strukturschwach klassifiziert wird, sondern auch darauf, auf welche ländlichen Regionen dies zutrifft (Kompositionseffekt). Die Gewichtung der einzelnen Indikatoren und Teilbereiche ist eine politisch-normative Entscheidung und sollte eng mit der zukünftigen inhaltlichen Ausrichtung bzw. Schwerpunktsetzung der GRW korrespondieren. Je nach förderpolitischer Akzentuierung können sehr unterschiedliche Regionen als strukturschwach klassifiziert werden. Sofern beabsichtigt wird, den "präventiver Charakter" der GRW zu stärken, könnten insbesondere Indikatoren der Bereiche Demografie, Digitalisierung / Automatisierung sowie Klimaneutralität einbezogen bzw. höher als bisher gewichtet werden. Demgegenüber könnte die bisher hohe Gewichtung der Unterbeschäftigungsquote aufgrund der mittel- sowie längerfristig gesunkenen Arbeitslosigkeit und eines ausgeprägten qualifikatorischen Missmatches am Arbeitsmarkt hinterfragt werden. Letzterer ist eher durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu adressieren. Der Transformationsdruck im Bereich Digitalisierung und Demografie ist in ländlichen Räumen höher als in urbanen Regionen. Im Bereich der Klimaneutralität stehen hingegen urbane Räume im Fokus. Jedoch führt die Dekarbonisierung auch in einigen ländlichen Regionen zu einem erhöhten Transformationsdruck. Als regionalpolitisches Förderinstrument ist die GRW auf die Kompensation von Standortnachteilen ausgerichtet. Sie kann insbesondere dann ein adäquates Instrument zur Adressierung von Transformationsdruck sein, wenn die Anpassungsfähigkeit von Betrieben durch die regionalen Standortbedingungen beeinträchtigt wird. Die Anpassungspotenziale in strukturschwachen ländlichen Räumen gelten häufig als geringer. Ein Anhaltspunkt dafür sind auch geringere gewerbliche Investitionen. Eine stärkere Berücksichtigung "präventiver Indikatoren" könnte teilweise zulasten von bisher als strukturschwach definierten Regionen gehen, da der Transformationsdruck auch in einigen aktuell strukturstärkeren Regionen hoch ist. Bisher erfolgt die Abgrenzung der GRW-Fördergebiete weitgehend entsprechend der Strukturschwäche, die auf der Ebene von Arbeitsmarktregionen festgestellt wurde. Die vorzuziehende regionale Analyseeinheit ist abhängig von der Zielsetzung bzw. dem räumlichen Wirkungskreis der Politikmaßnahmen. Eine Mindestgröße der räumlichen Bezugsebene (ab Kreisebene) erscheint geboten. Sofern die GRW weiterhin vorwiegend arbeitsmarktbezogene Ziele adressiert, sollte an der Fördergebietsabgrenzung auf Arbeitsmarktregionsebene festgehalten werden. Eine Verwendung der Kreisebene hätte gegenüber der Arbeitsmarktregionsebene vor allem dort nennenswerte Veränderungen zur Folge, wo ausgeprägte Stadt-Umland-Disparitäten innerhalb der entsprechenden Arbeitsmarktregion bestehen.
Keywords: Regionale Strukturpolitik; räumliche Disparitäten; Regionalanalyse; regional structural policy; spatial disparities; regional analysis (search for similar items in EconPapers)
JEL-codes: J20 R11 R12 R58 (search for similar items in EconPapers)
Date: 2025
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DOI: 10.3220/253-2025-191
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